Täglich erreichen uns Nachrichten über umweltpolitische Herausforderungen, schlimmstenfalls über ganze Umweltkatastrophen. So brechen einige Ereignisse plötzlich und erschreckend über uns herein, während sich andere langsam und schleichend anbahnen. Der Klimawandel, Verschmutzungen mit toxischen Substanzen, Zoonosen, der Verlust der biologischen Artenvielfalt und viele andere Themen mit einem unmittelbaren Bezug zur Umwelt durchlaufen unsere News-Feeds mit scheinbar immer höherer Geschwindigkeit. Den Geo- und Umweltwissenschaften kommt hier eine entscheidende Rolle zu, um Probleme zu definieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die sich auf den neuesten Forschungsstand und die aktuellsten wissenschaftlichen Theorien stützen. Sich rasch verändernde soziale und ökologische Bedingungen setzen diese „Krisenwissenschaften“, wie man sie nennen könnte, jedoch unter Druck, da sie gezwungen werden, ihre Grundannahmen und Arbeitsweise laufend in Frage zu stellen. Ob es ihnen gelingt, das dafür nötige Wissen in der erforderlichen Geschwindigkeit zu generieren, bleibt abzuwarten.
Dass die Geo- und Umweltwissenschaften auf dem weiten Feld der Umwelt weder die einzigen noch unbedingt die maßgebenden wissensgenerierenden Akteure sind, macht die Situation noch komplexer – und für Wissenschaftshistoriker*innen noch interessanter. Das Wissensgebiet Umwelt ist voll von alternativen Formen der Wissensproduktion. So gibt es etwa regulatorische, rechtliche, lokale und traditionelle Wege, Wissen zu generieren. Es ist sehr wenig darüber bekannt, wie die vorherrschende Forschung bislang mit anderen Wissenssystemen interagiert hat und welche Folgen diese Interaktionen für die Bewältigung dringender Herausforderungen und die Verhinderung von Katastrophen hatten. Die in der Abteilung II durchgeführte Forschung zielt darauf ab, die komplexen Interaktionen zwischen verschiedenen auf die Umwelt bezogenen Wissenssystemen in Vergangenheit und Gegenwart zu verstehen, wobei stets ein besonderes Augenmerk auf Krisenmomente gerichtet wird.
Der Fokus der Abteilung auf Umweltwissen wirft eine Reihe weiterer Fragen auf. Es handelt sich bei der Umwelt nicht um irgendeinen beliebigen Forschungsgegenstand, denn sie ist zugleich der konkrete Rahmen, in dem sich das politische Leben abspielt. Dies wird besonders in Krisenzeiten deutlich, wenn sich beispielsweise die Lebensumstände von Menschen derart verschlechtern, dass dies zur Folge hat, dass grundlegende Mechanismen der repräsentativen Demokratie außer Kraft gesetzt werden. In diesem Sinne ist die Umwelt sowohl ein Problem als auch eine Voraussetzung für Politik. Dementsprechend ist die Wissensproduktion über unsere Umwelt für das gesellschaftliche Zusammenleben von großer Bedeutung, sie definiert unter anderem Risiken sowie Ressourcen und legt die Parameter für politisches Handeln fest. Die Forschungsaktivitäten der Abteilung zielen vor diesem Hintergrund auch darauf ab, zu verstehen, wie die Geo- und Umweltwissenschaften und Umweltwissen im weiteren Sinne dazu beigetragen haben, unsere Vorstellung davon zu prägen, was politisch möglich, erstrebenswert und notwendig ist.