Wie das Schwarze Loch sich von einem paradoxen Resultat der allgemeinen Relativitätstheorie zu einer beobachteten Realität entwickelte, wurde in mehreren Forschungsprojekten am MPIWG untersucht, beispielsweise in "The Renaissance of General Relativity in the Post-World War II Period", das 2014 von Abteilung I initiiert wurde, sowie in Projekten der Forschungsgruppe Historical Epistemology of the Final Theory Program und des Forschungsprogramms History of the Max Planck Society.
Auf der Suche nach Anwendungen: Die allgemeine Relativitätstheorie und der Kollaps massereicher Sterne
In den Jahren nach der Formulierung der allgemeinen Relativität durch Albert Einstein war die Theorie auf der Suche nach Anwendungen, denn ihre empirischen Implikationen waren bis dahin gering, einfach und bereits ausgearbeitet. Ab Mitte der 1950er Jahre begann sich der Status der allgemeinen Relativitätstheorie zu verändern. Die „Renaissance der allgemeinen Relativitätstheorie“, wie sie der Physiker Clifford Will nannte, ist seit einigen Jahren ein Schwerpunkt der Forschung am MPIWG. Diese Neukonfiguration war ein vielschichtiger gesellschaftlicher und epistemologischer Prozess: Dazu gehörte eine erneute Konzentration auf die möglichen empirischen Implikationen der allgemeinen Relativität, etwa beim Kollaps massereicher Sterne.
Die Auffassung, dass die allgemeine Relativität eine wesentliche Rolle bei dem Gravitationskollaps von Sternen nach Ausbrennen ihres Kernbrennstoffs spielen könnte, wurde erstmals Ende der 1930er Jahre von dem US-amerikanischen theoretischen Physiker Robert Oppenheimer und seinem Doktoranden Hartland Snyder vertreten. Ihre Berechnungen schienen darauf hinzudeuten, dass ein ausreichend massereicher Stern beim Kollaps schließlich eine so hohe Dichte und damit ein so starkes Gravitationsfeld erreicht, dass er sich von der Außenwelt „abschottet“.
Diese eindrucksvolle Schlussfolgerung wurde in der Zeit der vorgenannten „Renaissance“ überprüft und auch häufig infrage gestellt, da sie aus einem zu idealisierten Modell eines kollabierenden Sterns entstanden war. Einer der Hauptkritiker war John Wheeler, dessen Gruppe in Princeton eines der Zentren der Renaissance der allgemeinen Relativitätstheorie war. Stefano Furlan von der Forschungsgruppe Final Theory Program hat untersucht, wie es dazu kam, dass Wheeler in den frühen 1960er Jahren seinen heftigen Widerstand aufgab, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass Computersimulationen ein detaillierteres Bild der Prozesse beim Gravitationskollaps lieferten. Diese Entwicklung wurde dadurch verstärkt, dass etwa zur gleichen Zeit sehr energiereiche Quellen in den Zentren entfernter Galaxien durch radioastronomische Beobachtungen nachgewiesen wurden: die so genannten Quasare. Die beispiellos hohen Energien dieser Quellen ließen sich nur durch den Gravitationskollaps supermassereicher Objekte erklären. Die scheinbare Existenz solcher Objekte, für die Wheeler bald den Namen „Schwarze Löcher“ prägen sollte, führte zur Intensivierung der theoretischen Forschungen.
Die neuerliche Untersuchung des Gravitationskollapses fand 1965 ihren Höhepunkt, als Roger Penrose, der spätere Nobelpreisträger des Jahres 2020, zeigte, dass beim Gravitationskollaps sehr massereicher Sterne zwar allgemein Schwarze Löcher entstehen, die allgemeine Relativitätstheorie jedoch nicht in der Lage war, das Geschehen am singulären Punkt im Zentrum eines Schwarzen Lochs zu beschreiben. Dieses Ergebnis machte die Schwarzen Löcher zu einer Grenze der modernen theoretischen Physik und zentralen Herausforderung bei der Suche nach einer endgültigen Theorie. Ihre Rolle bei dieser Suche wird von der Forschungsgruppe Final Theory Program weiter erforscht.
Die Suche nach Gravitationswellen und Schwarzen Löchern in der Max-Planck-Gesellschaft
Schwarze Löcher waren die Protagonisten des ersten erfolgreichen direkten Nachweises von Gravitationswellen im September 2015. Die Signale, die von Schwarzen Löchern ausgesendet werden, die in einer Entfernung von etwa 1,3 Milliarden Lichtjahren miteinander verschmolzen – ein außergewöhnliches Ereignis, das ein neues Beobachtungsfenster zum Universum öffnete –, lieferten den starken Beweis für die Existenz solch extremer astrophysikalischer Objekte.
Die Geschichte, welch entscheidenden Beitrag Forscherinnen und Forscher an Instituten der Max-Planck-Gesellschaft, der deutschen Organisation für Grundlagenforschung, zu allen Aspekten eines solchen Nachweises leisteten, insbesondere zu der beispiellosen Empfindlichkeit der Gravitationswelleninterferometer des Laserinterferometer-Gravitationswellenobservatoriums (LIGO), wurde im Rahmen des Projekts zur Geschichte der Astronomie, Astrophysik und Weltraumwissenschaften in der Max-Planck-Gesellschaft als Teil des Programms Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft untersucht. Diese Arbeit hat gezeigt, wie maßgeblich das Zusammenspiel zwischen der Renaissance der allgemeinen Relativitätstheorie und dem wachsenden Einfluss der relativistischen Astrophysik für den Beginn der Gravitationswellenforschung am Max-Planck-Institut für Astrophysik in München im Jahre 1970 war. Der Bau immer größerer und innovativer Prototypen fand 1995 mit dem deutsch-britischen Gravitationswelleninterferometer GEO600 und der Gründung des Albert-Einstein-Instituts (AEI) seinen Höhepunkt.
Im Rahmen des Projekts wurde auch untersucht, wie mit Ernennung des späteren Nobelpreisträgers Reinhard Genzel zum Direktor und Leiter der Abteilung für Infrarot-Astronomie die lange Suche nach dem supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum unserer Galaxie zu einem der zentralen Forschungsthemen am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München wurde. Basierend auf der einzigartigen technischen Instrumentenbau-Expertise der Max-Planck-Gesellschaft begann mit Genzels Team die Ära der „Beobachtungsphysik Schwarzer Löcher“ und eine engagierte Langzeitarbeit mit der Infrarot-Beobachtung von Strahlungsphänomenen, Gasdynamik und insbesondere Eigenbewegungen und Geschwindigkeiten einer Gruppe von Sternen, die das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie eng umkreisen.
Dank der fortschrittlichen Technologien ihrer hochempfindlichen Instrumente konnte das internationale Team unter der Leitung von Genzels Gruppe beobachten, wie Materie den „Ereignishorizont“ umkreist, diese Grenze des Schwarzen Lochs, über die nichts entweichen kann ─ auch nicht das Licht. Zum ersten Mal wurden im starken Gravitationsfeld eines Schwarzen Lochs von etwa 4 Millionen Sonnenmassen Effekte beobachtet, die von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie vorhergesagt worden waren: so die Präzession der Umlaufbahn und die Rotverschiebung des Lichts eines Sterns, der sehr nahe an der zentralen Masse umläuft. Mit diesen Beobachtungen war die Existenz des Schwarzen Lochs „ohne jeden begründeten Zweifel“ nachgewiesen. Für ihren grundlegenden Beitrag zur Enthüllung des „dunkelsten Geheimnisses der Milchstraße“ wurden Roger Penrose, Andrea Ghez und Reinhard Genzel 2020 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.