Das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte (MPIWG) adaptiert und entwickelt die Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Museo Galileo und der Staatsbibliothek zu Berlin für die Eröffnung am Berliner Standort des Institus im Sommer 2020. Das MPIWG wird die Ausstellung mit mehreren wissenschaftlichen und öffentlichen Aktivitäten ergänzend begleiten, um den Wert der Vernetzung in der intellektuellen Welt der Renaissance zu erforschen und die Zusammenhänge scheinbar unvereinbarer Bestrebungen in der Kunst, Philosophie und Wissenschaft aufzuzeigen. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht der intellektuelle Kosmos Leonardos. Die Rekonstruktion seiner Bibliothek und deren Entwicklung im Laufe seines Lebens wird nicht nur Wissenschaftlern, sondern auch der breiten Öffentlichkeit eine neue Perspektive auf Leonardo da Vinci eröffnen und ihn nicht allein als Ingenieur oder Künstler, sondern auch als gebildeten Literaten zeigen – als einen Intellektuellen, der danach strebte, die Zusammenhänge zwischen Mikro- und Makrokosmos in allen Aspekten der Natur und der menschlichen Existenz zu sehen. Das Format der Ausstellung ist ungewöhnlich: den Besucherinnen und Besuchern wird nicht nur eine Sammlung einer der wertvollsten Bücher und Illustrationen seiner Zeit präsentiert, sondern sie erhalten mit Hilfe einer innovativen virtuellen „Ausstellung ohne Wände“, die gleichzeitig als Werkzeug für zukünftige wissenschaftliche Untersuchungen dienen wird, auch Zutritt zur intellektuellen Welt Leonardos.
Warum Leonardos Bibliothek?
Die Bibliothek repräsentiert einen der weniger untersuchten Aspekte Leonardos und zeigt, dass er mitnichten „ungebildet“ und damit keineswegs ein „omo sanza lettere“ war, wie im Allgemeinen angenommen wurde. Das Bild des Gelehrten, Künstlers und Wissenschaftlers, das aus seinen Manuskripten entsteht, offenbart die enge und konstante Beziehung, der er zu Büchern hatte, ebenso wie zu der Kultur seiner Zeit sowie zu den großen Autoren der Vergangenheit und Gegenwart (die er als altori bezeichnete).
Als begeisterter Leser besaß Leonardo fast 200 Bücher – eine außergewöhnliche Zahl für einen Künstler-Ingenieur des 15. Jahrhunderts. Bei den meisten handelte es sich um gedruckte Bücher aus Wissenschaft und Technik, doch es gab auch Werke der Literatur (Geschichte der Antike und Neuzeit, Erzählungen und facezie, Dichtungen und Romane) und religiöse Werke (angefangen von der Bibel). Zunächst waren die von ihm erworbenen Bücher im Volksmund verfasst, später kamen lateinische Texte zur Bibliothek hinzu. Darüber hinaus gab es Wörterbücher und Grammatiken, die davon zeugen, dass Leonardo sich bemühte Latein zu lernen, als er beschloss, selbst Autor zu werden. Er schrieb dann Traktate über die Malerei und fast alle Bereiche der Technik und Wissenschaft, wie Anatomie, Botanik, die Wissenschaften von der Erde, Mechanik, Hydraulik und Kosmologie.
Rekonstruktion der Bibliothek
Von Leonardos Bibliothek ist nur ein einziger Band erhalten, den er tatsächlich genutzt hat: das Trattato di architettura e macchine von Francesco di Giorgio – ein Manuskript mit handschriftlichen Anmerkungen des Künstlers, das heute in der Biblioteca Medicea Laurenziana in Florenz verwahrt wird (MS Ashb. 361). Aus Leonardos Manuskripten und den dort enthaltenen Verweisen wie Zitaten, Autoren und Buchtiteln sowie Listen der in seinem Besitz befindlichen Werke können wir seine Bibliothek jedoch rekonstruieren.
Die Ausstellung zeigt eine Auswahl der signifikantesten Texte, die sich in Leonardos Besitz befanden und von ihm verwendet wurden. Die Werke werden von der Staatsbibliothek Berlin und von der Bibliothek des MPIWG zur Verfügung gestellt. Ebenso wird in der Ausstellung eine Rekonstruktion des Ateliers zu sehen sein, in dem Leonardo an seinen Zeichnungen, Notizbüchern und anderen Schriften arbeitete.
Entdecken Sie Leonardos Bücher und Manuskripte
Auf den Computern in den Ausstellungsräumen können die Besucherinnen und Besucher durch digitalisierte Bücher und Manuskripte blättern und haben Zugang zu Informationen über den Inhalt der Bücher und Leonardos Nutzung derselben. Die Ausstellung verschafft den Besucherinnen und Besuchern damit Zugang zu dem Labor in Leonardos Kopf und lässt sie seine kontinuierliche Entwicklung als Künstler und Wissenschaftler mitverfolgen. In einer digitalen Bibliothek werden alle Bücher zu finden sein, die sich in Leonardos Besitz befanden bzw. von ihm konsultiert wurden, mit der jeweiligen Inhaltsbeschreibung und einem Link zu den Seiten in den Notizbüchern des Künstlers, auf denen auf das Werk verwiesen wird.
Die Ausstellung „Leonardo und seine Bücher: Die Bibliothek des Universalgenies“ im Museo Galileo
Die florentinische Version der Ausstellung mit dem Titel „Leonardo und seine Bücher“ findet vom 6. Juni bis 22. September 2019 im Museo Galileo statt. Gesponsert vom italienischen „Comitato Nazionale per le celebrazioni dei 500 anni dalla morte di Leonardo da Vinci“ (in Zusammenarbeit mit der Commissione per l’Edizione Nazionale dei manoscritti e dei disegni di Leonardo da Vinci, Accademia Nazionale dei Lincei Rom und der Biblioteca Nazionale Centrale Florenz) ist sie zusammen mit ihrer Berliner Partnerveranstaltung ein einmaliger und wichtiger Beitrag zu den weltweit stattfindenden Feierlichkeiten anlässlich dieses wichtigen Jubiläums.
„Leonardos intellektueller Kosmos – Seine rekonstruierte Bibliothek“, eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek zu Berlin, der NOMIS Foundation und dem Museo Galileo, wird im Sommer 2020 in der Staatsbibliothek zu Berlin eröffnet.