Daher wurde in dem von der Max-Planck-Gesellschaft geförderten und gemeinsam vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und dem Fritz-Haber-Institut durchgeführten Projekt „Networks of Early Quantum Theory“ diese bedeutende Transformation des physikalischen Wissens in einer breit angelegten Forschungszusammenarbeit unter Rückgriff auf umfangreiche Archivbestände an Korrespondenz, Manuskripten und Notizbüchern gemeinsam erforscht. Die Projektergebnisse der Zusammenarbeit von Forschenden der Geschichte, Philosophie und Physik, die in vielen Ländern an der Geschichte der Quantenphysik arbeiten, sind in mehreren Publikationen erschienen.
Eine zentrale Erkenntnis des Projekts ist, dass die Quantenrevolution, obwohl sie als einer der wichtigsten Umbrüche seit den Anfängen der klassischen Physik gilt, nicht einfach ein bestehendes konzeptionelles System durch ein neues ersetzt hat. Vielmehr war die Quantenmechanik eine Neuinterpretation (Heisenbergs Begriff war Umdeutung) der Konzepte der klassischen Physik innerhalb eines neuen Rahmens, was bedeutet, dass die meisten der etablierten empirischen Erkenntnisse sowie große Teile der formalen Struktur dieses konzeptionellen Rahmens in der Quantenmechanik weiter genutzt wurden.
An diesem Prozess der Transformation und Neuinterpretation waren Forschende der Physik, Chemie und Mathematik aus mehreren Ländern beteiligt, und viele von ihnen leisteten wesentliche Beiträge zur Entwicklung der Theorie. Eine neue Reihe mit vier Werken, The Quantum Network, veröffentlicht in Springer Briefs in the History of Science and Technology, basiert auf den Forschungen des Projekts. Darin werden die Rahmenbedingungen untersucht, die zur Entstehung dieses Netzwerks von Quantenphysikern beitrugen, bzw. ihr zum Teil auch entgegenwirkten. Jeder Band befasst sich mit einem der für die Erforschung der Quantentheorie wichtigsten Standorte: München, Berlin, Kopenhagen und Göttingen.
An diesem Prozess der Transformation und Neuinterpretation waren Forschende der Physik, Chemie und Mathematik aus mehreren Ländern beteiligt, und viele von ihnen leisteten wesentliche Beiträge zur Entwicklung der Theorie. Eine neue Reihe mit vier Werken, The Quantum Network, veröffentlicht in Springer Briefs in the History of Science and Technology, basiert auf den Forschungen des Projekts. Darin werden die Rahmenbedingungen untersucht, die zur Entstehung dieses Netzwerks von Quantenphysikern beitrugen, bzw. ihr zum Teil auch entgegenwirkten. Jeder Band befasst sich mit einem der für die Erforschung der Quantentheorie wichtigsten Standorte: München, Berlin, Kopenhagen und Göttingen.
Die Etablierung der Quantenphysik in München
In diesem Band zeigt der Historiker Michael Eckert in seiner Studie über Arnold Sommerfelds berühmte „Kinderstube der theoretischen Physik“ an der Universität München, welche Bedeutung Sommerfelds außergewöhnliche Begabung als charismatischer Lehrer und produktiver Netzwerker hatte, damit München in den 1920er Jahren zu einem zentralen Knotenpunkt im schnell wachsenden Netzwerk der Quantenphysik wurde.
Die Etablierung der Quantenphysik in Berlin
Giuseppe Castagnetti und Hubert Goenner konzentrieren sich in diesem Band auf das Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik unter Einsteins Leitung. Dies kann als ein früher Versuch angesehen werden, in der aufstrebenden akademischen Landschaft Berlins ein eigenes Forschungsinstitut für die Entwicklung der Quantenphysik zu etablieren.
Das Kopenhagener Netzwerk
Alexei Kojevnikovs Band zur Geschichte der Forschungspolitik von Niels Bohr untersucht, welche Rolle die dänische Politik bei der Entwicklung der Quantenphysik spielte. Aufgrund seiner Neutralität hatte das Land die besondere Chance, auf der internationalen Bühne eine neue und bedeutendere Rolle zu spielen. Die Studie beleuchtet die multikulturellen und wechselnden Postdoktoranden, die sich in den wirtschaftlich und politisch unruhigen 1920er Jahren auf den unsicheren Weg einer akademischen Laufbahn gemacht hatten und den Kern der aufstrebenden Quantenmechanik-Gemeinschaft bildeten.
Die Etablierung der Quantenphysik in Göttingen
In Arne Schirrmachers Göttingen-Studie stellt sich der institutionelle Kontext vollkommen anders dar. Das relativ kleine Physikalische Institut der Universität hatte mit Ressourcenknappheit und dem Desinteresse des preußischen Kultusministeriums zu kämpfen. Das Mathematische Institut mit Felix Klein und David Hilbert hingegen galt als ein führendes, wenn nicht sogar das wichtigste Zentrum für Mathematik in Deutschland. Schirrmacher zeigt, wie und warum Hilbert Ressourcen auf die Forschung in der Quantenphysik und fähige Vertreter derselben umverteilte. Mit Peter Debye und vor allem mit Max Borns Rückkehr an die Universität Göttingen 1921 entstand ein neues Zentrum der Quantenphysik, das seine lokalen Stärken effektiv mit dem Quantennetzwerk verband, vor allem mit Sommerfelds München und Bohrs Kopenhagen, und auf diese Weise den Weg zur Quantenmechanik ebnete.
Wissenschaftliche Zusammenarbeit
Eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit der vier Bände sei abschließend erwähnt: In allen Fällen hing der Erfolg oder Misserfolg des Programms von der Einbindung der lokalen Institution in ein Quantenforschungsnetzwerk ab. München, Kopenhagen und Göttingen konnten nur durch ihren intensiven Austausch zu erfolgreichen Forschungszentren werden. Berlin hingegen hat sich vielleicht aufgrund seines eher konservativen und selbstgenügsamen Forschungsansatzes nicht so eindrucksvoll entwickelt. Die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit könnte auch den relativen Mangel an Fortschritten erklären, die in den etablierten Forschungszentren außerhalb von Mitteleuropa erzielt wurden. Zusammenarbeit und Vernetzung wurde in diesen Zentren als weniger notwendig erachtet, da sie von den Wirren nach dem Ersten Weltkrieg viel weniger betroffen waren. Dieser Erklärungsansatz wäre ein markanter Gegenentwurf zu Paul Formans Behauptung, die Quantenphysik sei aufgrund des kulturellen Klimas der Weimarer Republik in den Vordergrund getreten. Insgesamt zeigen die vier Bände der Reihe die wissenschaftlichen Institutionen und ihre gegenseitigen Verbindungen als zentralen Begegnungspunkt zwischen dem herrschenden kulturellen Klima und der wissenschaftlichen Theorie. Diese Forschungsnetzwerke bieten somit einen idealen Ausgangspunkt, um die alte, künstliche Trennung zwischen externalistischer und internalistischer Wissenschaftsgeschichte zu überwinden.