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Interview mit Wissenschaftliche Mitarbeiterin Birgit Kolboske, neu veröffentlicht aus MaxMag 1/2023.

 

 

Portrait, Birgit Kolboske. Source: Gesine Born, 2023.

Birgit Kolboske. Quelle: Gesine Born, 2023.

Frau Kolboske, Sie waren Mitarbeiterin des Forschungsprogramms, das die Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft (GMPG) untersucht hat. Wie kamen Sie dazu?

Ich hatte schon am Vorläuferprojekt mitgearbeitet, das die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und ihre Verstrickungen mit dem NS-Regime untersuchte. Damals, 2001, war ich als Projekt- und Editionsassistentin für die Publikationen zuständig. Nachdem ich dann längere Zeit frei als Dolmetscherin und Lektorin gearbeitet hatte, kehrte ich zur MPG zurück und begann, die  Vorphase des GMPG-Projekts zu koordinieren. Dank der Unterstützung durch Jürgen Renn, den Koordinator des Programms und Direktor am MPI für Wissenschaftsgeschichte, konnte ich dann das Thema Gender als wissenschaftlichen Schwerpunkt einbringen und erforschen.

Was genau haben Sie untersucht?

Am Anfang stand die Frage: Wie lässt sich eine Geschichte von Frauen in der Max-Planck-Gesellschaft am besten, im Sinne von am repräsentativsten und inklusivsten erzählen? Ich habe letztlich zwei Bereiche ausgewählt: jenen, zu dem lange Zeit nur sehr wenige Frauen Zugang hatten – die Wissenschaft; sowie den Bereich, in dem die meisten Frauen die meiste Zeit gearbeitet haben – nämlich das Büro bzw. Vorzimmer.

Wie kamen Sie zur Aufteilung der verschiedenen Frauenrollen, die Sie unter die Lupe genommen haben?

Die Inklusion oder Exklusion von Wissenschaftlerinnen aufgrund des Harnack-Prinzips in den Blick zu nehmen, liegt ja auf der Hand. Dazu gab es auch viel Material im Archiv – seien es Sitzungsprotokolle von Treffen der Sektionen, des Verwaltungsrats oder anderem. Den zweiten Bereich habe ich auch gewählt, da ich durch meine frühere Arbeit gute Kontakte zu den Sekretärinnen hatte. Ich wusste, was sie leisten und wie hierarchisch die Strukturen gerade auch im Vorzimmer waren.
Es war eine ziemliche Herausforderung, da die Quellenlage hier sehr spärlich ist. Hilfreich waren die Interviews und Gespräche, die ich direkt mit Kolleg*innen als Zeitzeug*innen führen konnte. Und dass viele Materialien bereits digitalisiert waren.

Sie haben auch den Umgang der MPG mit Gleichstellung im Vergleich zur gesellschaftlichen Veränderung betrachtet. Ihr Fazit?
Wie insgesamt die Wissenschaft hinkte auch die MPG bei diesem Thema deutlich hinter den gesellschaftlichen Trends hinterher. Allerdings war und ist Deutschland im europäischen Vergleich ohnehin kein Vorreiter, was Gleichstellung oder Inklusion angeht. Dass sich in der MPG bei diesem Thema etwas bewegte, ist dem Gesamtbetriebsrat zu verdanken, insbesondere dessen Frauenausschuss. Anhand von Protokollen aus dem Archiv lässt sich zum Beispiel nachvollziehen, dass es organisierte Proteste von Mitarbeiter*innen gegen eine als zu zögerlich empfundene Gleichstellungspolitik in Form von offenen Briefen und Unterschriftensammlungen gab, etwa im Fall des von Präsident Hans Zacher im Januar 1994 abgelehnten Entwurfs einer Gesamtbetriebsvereinbarung zur Gleichstellungspolitik.

Was wünschen Sie der MPG zum Geburtstag?

Zunächst natürlich weiterhin Erfolge in der Wissenschaft. Aber auch den Mut, den Kulturwandel zu vollziehen. Das heißt, das Harnack-Prinzip inklusiv zu leben oder, anders gesagt, konsequent umzusetzen. Es besagt, die besten Köpfe zu finden und zu rekrutieren, egal welches Geschlecht oder Alter, welche Farbe oder mögliche Einschränkung der dazugehörige Körper hat.